23. Juli 2013

Grain de sel - Salzkorn


Grain de Sel ist einer dieser unprätentiösen Lieblings-Foodblogs von mir, die ich wahnsinnig gerne besuche, dann leider wieder vergesse (weil ich mich im Entdecken neuer, stylisher Blogs verliere) und mich beim nächsten Besuch frage, wieso ich eigentlich nicht öfter hier bin, denn bei so köstlichen Rezepten wie Erbsen-Nockerln oder Petersilien-Avocado-Bulgur zücke ich innerlich schon den Bleistift für die Einkaufsliste. Dieses Kollegen-Interview ist quasi mein Knoten im Taschentuch und soll mir helfen, das "Salzkorn" nicht mehr zu vergessen. 

Hinter dem Blog steckt übrigens Michaela (37), Theaterplastikerin und Gymnasiallehrerin für Kunst und Deutsch i.R., die mir hier Rede und Antwort steht. Und ich ihr übrigens auch, denn sie hat mich gebeten meinen Fragebogen einmal selbst auszufüllen. Aber gerne doch!

Beschreibe bitte deinen Blog in einem Satz.
Sinnesfreudige, frische Gartenküche.

Seit wann bloggst du und wie bist du darauf gekommen? 
Zuerst hatte ich das Angebot von Steph vom Kuriositätenladen angenommen und war eine kurze Zeit Gastbloggerin bei ihr. Das Ganze endete leider unschön. Darauf habe ich ein gutes Jahr pausiert, um dann doch mit eigenem Blog zu beginnen – wo ich bereits erstaunliche zwei Jahre dabei bin. Überhaupt auf Blogger bin ich gestoßen, weil ich  - als ich zum Habibi nach F gezogen bin – nur Nudeln abkochen konnte. Da war das I-net samt Foodblogger eine Mordshilfe in puncto *Kochen lernen vor dem PC*.

Deine drei favorisierten deutschsprachigen Foodblogs sind...
Ein Foodblog lebt vom sympathischen Betreiber mit gewisser Offenheit, von appetitlichen Rezepten und ästhetischen Fotos – alles stiftet zum Nachmachen an. Dazu fällt mir ein:
Robert (lamiacucina) & Petra (Chili & Ciabatta) – von beiden habe ich schon unzählige Gerichte nachgekocht. Christina (NKOTB) & Alex (foto e fornelli) – haben beide meine ganze Sympathie. Die liebe, schöne Paule (Paules Ki(t)chen), der Schokozwerg vom Charlottenblog, mein Lieblingsnewbie Juli (KAMAU) oder die charmante Frau Ziii oder oder oder...

Deine drei favorisierten französisch-/englischsprachigen Foodblogs sind...
Cuisine de campagne
Un déjeuner de soleil
Delicious days

Zeig uns bitte dein schönstes selbstgeschossenes Food-Bild.



Dein ultimativer Kochtrick?
Die Prise gute Laune.

Dein Lieblingsessen als Kind?
Spätzle, Spinat und Spiegelei.

Was ist das Kurioseste, das du je gegessen hast? Und wie war's?
Irgendwo im Hinterland von Marokko – es war undefinierbar, hatte keinen übersetzbar französischen Namen und machte mich schlagartig appetitlos. Möglicherweise mit Schaf.

Wenn du dir was gönnen willst, gibt es...
Selbst gemachte Pasta – ich bin also nicht unnötig hart mit mir selbst.

Das meist überschätzte Lebensmittel ist...
.. meist Überbezahltes wie etwa Trüffel.

Ein total unterschätztes Lebensmittel ist...
... da fällt mir nix ein.

Gerade neu entdeckt und frisch verliebt:
Frische Tomaten aus dem eigenen Gewächshaus – eine stabile Zuneigung, die durch die winterliche Trennung feurig bleibt.

Kaffee oder Tee?
Café nur auswärts – also Tee.

Gibt es ein Land, das dich essensmäßig besonders reizt und du gerne einmal länger bereisen würdest? 
Libanon und/oder Iran.

Was ist dein liebster Küchenhelfer?
Meine Hände.

Was fehlt noch in deiner Küche?
Ganz klar: die Kitchen Aid.

Dürfen wir einen Blick in deine Küche werfen? 




 "Eklige" Sachen (z.B. Scheiblettenkäse, McFish, Ravioli...), von denen du einfach die Finger nicht lassen kannst? 
Seit ich mit 16 mit meiner damals besten Freundin bei deren englischen Austauschschülerin zwei komplett verregnete Wochen verbrachte, brauche ich ab und an zwanghaft Essigchips – wobei ich die dann natürlich alles andere als eklig finde…

Und was kommt bei dir garantiert nicht auf den Teller bzw. in den Mund?
Kutteln, Buttercremetorte, Schlachterplatte, Lakritze, Industriesalz, Fertigzeugs wie Lasagne usw.

Welches Gericht ist dir vor kurzem total misslungen?
Baisers.

Und was hast du einfach grandios hinbekommen? 
Die Bratkartoffel-Gnocchis.

Für welche berühmte Persönlichkeit (tot oder lebendig) würdest du gerne mal kochen? Und was gibt es dann?

Goethe – ich hätte da einige offene Fragen zu seiner Wahlverwandschaft, über die ich bis heute grüble. Mein Prof, sehr geschätzt, leider verstorben, hat ein Buch über Goethe geschrieben, das zu dem Schluß kommt, dass die große Errungenschaft in Goethes Werk seine Polyvalenz (also seine Vieldeutigkeit) wäre. Selten hat sich Goethe selbst zu seinen Werken geäußert – aber bei den Wahlverwandtschaften ist dank eines Briefwechsels bewiesen, dass er nach eigener Aussage bei diesem Buch *eine eindeutige Idee* verfolgte. Es gäbe gefüllte Pasta mit einem grünen Salat.

Deine drei Lieblings-Kochbücher sind...
... die drei, die ich noch nicht habe.

Kennst du einen Film, einen Roman oder einen Song, der 'Genuss' besonders schön thematisiert? 

Zusammen ist man weniger allein von Anna Gavalda. Ein Lieblingsbuch. Selbst wenn sich in puncto kulinarischer Genuss die Hauptakteurin äußerst schwer tut, bleibt das Hauptthema *Hingabe* -  ohne die kein tiefer Genuß möglich ist.



Da Michaela aus Ihrer Wahlheimat Frankreich bloggt, gibt es natürlich noch ein paar Extra-Fragen zum Leben jenseits von Vollkornbrot und Schnitzel... 

Was ist von der Lebensqualität in Frankreich anders als in Deutschland?
Die letzten 10 Jahre habe ich in Deutschland in Karlsruhe gelebt. Dort war man zwar auch schnell aus der Stadt. Aber die Gegend ist so dicht besiedelt, dass die Dörfer oft nur 2-3 Kilometer auseinander liegen und nicht mehr wirklich dörflichen Charakter haben, sondern eher vorstädtisch sind. Vom Flieger aus sieht man am deutlichsten, was ich meine: Süddeutschland ist fertig konstruiert.
Mein Dorf Gigors in der Drôme besteht lediglich aus ein paar Häusern. Die größten und für mich schönsten Unterschiede sind, dass die französische Campagne aus vielen Kruschtelecken besteht, mehr Platz, mehr wilde Natur und damit mehr Freiheit um mich ist. Und die Zeitqualität ist eine ganz andere – es tacktet um einiges ruhiger. Was ich spätestens wieder merke, wenn ich von der französischen auf die deutsche Autobahn wechsle.
Einher geht damit, dass  es in Frankreich definitiv unstrukturierter zugeht und zwar in jeder Beziehung. Der Terminbegriff *Morgen* hat mehrere Bedeutungen: übermorgen, überübermorgen oder nächste Woche. Im Ausgleich dazu hat man wiederum mehr Zeit fürs Zwischenmenschliche. Einkaufen gehen, damit Produkte den Besitzer wechseln MUSS mit einem kleinen banalen Plausch unterlegt sein – sonst spricht das gegen jedes Benimm!  Auch mag ich die südfranzösische Lässigkeit. Es lebt sich leichter mit einem *Tant pis*auf den Lippen und der dazugehörigen Pfff-was-solls-Handbewegung.
Und die Rentner, die in voller Coolness mit ihrem 2 CV ankommen. Und das verhaltene Verhältnis der Fränzis zur Obrigkeit. Und das bunte ethnische Durcheinander mit den vielen arabischen und afrikanischen Einwanderer: viele gemischte Paare, viele Familien mit adoptierten Kinder, der anhaltende Ethno-Modetrend für jede Altersgruppe. Genau: überhaupt gibt es hier fast keine Popper – ganz eindeutiger Vorteil!

Was vermisst du?
Brot habe ich vermisst. Und deshalb mit dem Brotbacken begonnen, daher ist dieser Punkt gestrichen. Buttermilch bekomme ich nicht. Bon, das bringen mir die Feriengäste mit. Und klar, die Muttersprache bindet mich an Deutschland. Und die ein oder andere deutsche *Konditionierung*, etwa  der Faible für reibungslose Abläufe (mit gezücktem Geldbeutel am Band im Supermarkt stehen, obwohl noch zwei vor mir sind). Und wir nennen Deutschland das Einkaufs-Eldorado. Es gibt ALLES, in allen Größen und Farben. Und meist billiger als in F. Der Habib kann mit tränenden Augen durch einen deutschen Baumarkt lustwandeln.

Wirst du in Frankreich bleiben oder nach Deutschland zurückkehren?
Hier und jetzt bin ich ganz und gar zuhause. Wenn ich Frankreich verlassen sollte, dann nicht um nach D zurückzukehren. Wir sind so viel auf Reisen… es gibt viele schöne Orte. Aber ländlich müßte es bleiben. In der Stadt will ich nicht mehr leben. Und unser Ideale *libre et independant* müßte mindestens genauso, wenn nicht noch eine Unze mehr erfüllt sein.


1 Kommentar:

  1. Ach, mir gefällt supergut, was ich da grad beim Salzkorn über Istanbul bzw. die Türkei allgemein gelesen habe! Bin auch grad hier und kann vielem nur zustimmen. Und in der U-Bahn verstehe ich auch (fast) alles, manchmal echt witzig...
    Liebe Grüße
    Christiane

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