Für Sika. Vergangene Woche ist meine Schwiegermutter gestorben. Keine sechs Monate hat es von der Krebs-Diagnose bis zu ihrem letzten Atemzug gedauert. Und noch im Krankenhaus hat sie mich mit schwacher Stimme gefragt: „Was macht Lecker Lezmi?“ Dass ich zu der Zeit weder die Kraft hatte einen Kochlöffel zu schwingen noch wirklich Appetit verspürte, habe ich ihr nicht verraten. So langsam aber, liebe Sika, kehrt die Kochlust wieder zurück und da auch du maßgeblich daran beteiligt warst, diese in mir zu wecken, ist dieser Blogbeitrag für dich.
Als ich das erste Mal vor über fünfzehn Jahren bei euch zu Hause war, habe ich nicht schlecht gestaunt über deine Kochbuch-Sammlung. Ein ganzes riesiges Regal voll - und das doppelreihig! Die Bandbreite war enorm - und das nicht nur kulinarisch, sondern auch sprachlich, weil viele der Bücher englisch oder französisch waren. Mir kam das damals unglaublich exotisch vor. Getoppt wurde diese Fülle nur noch von deiner beeindruckenden Geschirr-Sammlung: Ein alter, wunderschöner Holzschrank voller Tassen und Teller im Original Meissen Zwiebelmuster. Aus den zarten Tässchen haben wir mehr als einmal grünen Tee mit etwas frischer Minze aus deinem Garten geschlürft - und immer gab es dazu was Süßes. Als ich dich in den letzten Wochen besucht habe, hast du dich vielmals entschuldigt, dass es zur tea time „nur“ gekauften Kuchen gibt. Mühen hast du nie gescheut, wenn es drum ging, was Leckeres auf den Teller zu zaubern. Zuletzt hast du es an Weihnachten auf 22 (!) Plätzchensorten gebracht. Im November wurde schon angefangen und trotz Berufstätigkeit hast du gerne auch mal bis nachts um zwei Sterne und Herzen ausgestochen. Das Schönste war immer, die waren so klein, dass man es tatsächlich an einem Nachmittag geschafft hat sämtliche Sorten zu testen. Mein absoluter Favorit: die Lebkuchen-Bärchen. Ich fürchte mich jetzt schon davor, sie nicht so gut hinzubekommen wie du.
Zumindest kenne ich aber die sieben „geheimen“ Zutaten deines Spezialsalates - die hast du mir noch letztes Jahr verraten. Dieser Salat, den es bei euch nur einmal im Jahr - nämlich an Weihnachten - gibt, hat mein Herz nicht von Anfang an erobert, weil ich lange keine Rote Bete mochte. Aber jetzt mag ich die Mischung aus sauren Gurken, Sardellen, roter Bete und Rindfleisch sehr. Diese Tradition werde ich aufrechterhalten, das kriege ich hin. Ob ich das mit den Plätzchen gebacken bekomme, muss ich mal schauen. Du hast die Latte hoch angelegt. Und dafür bin ich dir sehr dankbar. Sonst wäre dieser Blog auch nicht was er ist.
Nach der Beerdigung haben wir bei euch zu Kaffee und Kuchen eingeladen - es ist eine Kaffeetafel geworden, wie sie dir gefallen hätte. Alle deine Freundinnen haben Kuchen mitgebracht. Mein Beitrag war ein kleiner Johannisbeer-Baiser-Kuchen mit den ersten Johannisbeeren aus deinem Garten, die Gabila und Frederic gepflückt haben. Einen ähnlichen Kuchen hast du vor drei Jahren zu unserem Hochzeitsgartenfest in Köln mitgebracht. Ich weiß noch, dass das der Kuchen war, der zuerst weg war.
Liebe Sika, ich hoffe, das Essen ist da, wo du jetzt bist, genauso gut wie es immer bei dir war! Und wehe es gibt nur billigen Beuteltee - dann beschwer dich bitte genau so herzhaft, wie du es damals bei unserem Besuch im Savoy Hotel in London gemacht hast.
Und wer auch schon erste Johannisbeeren im Garten und hoffentlich einen freudigeren Anlass zum Backen hat, dem lege ich sehr diesen Baiser-Kuchen ans Herz, den ich auf Julianes Blog Schöner Tag noch gefunden haben. Der funktioniert nach dem Prinzip Boden plus Füllung, wobei die Füllung wirklich nur aus Eischnee und Beeren besteht. Quasi ein Hauch von einem Kuchen. Das Rezept findet ihr hier. Ich habe lediglich noch etwas Vollkornmehl genommen und in den letzten zehn Minuten im Ofen noch Mandelblättchen und ein paar extra Johannisbeeren drauf gegeben.
oh ein sehr persönlicher und trauriger und zugleich rührender post. ich schicke dir liebe und tröstende grüße und wie schön, dass eure verbindung durch das kulinarische lebendig bleibt!
AntwortenLöschenLiebe Isabel, ich habe mich schon gefragt, ob bei Dir alles in Ordnung ist, weil es hier so lange nichts Neues zu lesen gab. Welch trauriger Anlass für einen neuen Post. Mein herzliches Beileid! Aber schön, dass Du die kulinarische Tradition Deiner Schwiegermutter fortführen wirst! So bleibt die Erinnerung lebending.
AntwortenLöschenEs freut mich sehr, dass Du den Johannisbeer-Baiser-Kuchen nachgebacken hast. Bei uns sind die Johannisbeeren auch demnächst reif-den Kuchen werde ich bestimmt auch wieder backen.
Viele Grüße und schöner Tag noch,
Juliane
Vielen Dank, Julie. Es hat tatsächlich etwas Tröstendes, dass der Genuss bestimmter Speisen schöne Erinnerungen an liebe Menschen wach hält...
AntwortenLöschen@Juliane: Dank dir - besonders auch für das schöne Rezept, es war einfach genau das Richtige - nicht zu kompliziert für den Anlass und machte doch wirklich etwas her. Da waren ihre Beeren einfach sehr gut aufgehoben!
AntwortenLöschenAuch wenn es schon etwas her ist... das hast Du wirklich sehr schön geschrieben und hat mich wirklich sehr bewegt! War eigentlich nur auf der Suche nach einem Johannisbeerkuchen-Rezept. Habe ihn jetzt auch gleich gebacken, für meine Mama die im Krankenhaus liegt.
AntwortenLöschenFreue mich Dich bald mal wiederzusehen!
Liebe Grüße aus Köln,
Nicole
Da steht man schon mit geteilten Gefühlen vor einem solchen Beitrag, auchw enn dieser schon älter ist.
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